Tatsächlich bin ich seit ein paar Wochen in einer Klinik für Psychosomatik & Psychotherapie. Der Weg dort hin war schwer. Die letzten Monate kamen daher wieder sehr viel Ängste auf. Dadurch bekam ich auch sehr viel Migräne zu meinen restlichen Schmerzen.
Erst hatte ich letztes Jahr den Termin in der ambulanten Sprechstunde. Hatte mega Angst davor, aber dort ging es erstaunlich gut und die Frau war sehr nett. Dann sollte ich mir schon mal ambulant einen Platz für Psychotherapie suchen. Komplette Katastrophe bei mir wegen Telefonieren usw.. Saß dauernd handlungsunfähig da. Letztendlich habe ich nur zwei angefragt und das per Mail. Es waren die, die am meisten über sich auf ihrer Homepage preis gegeben hatten. Und ein Foto war mir irgendwie wichtig. Wobei der erste Eindruck ja total falsch sein kann…
Beim Erstgespräch war ich dann natürlich viel zu nervös und wusste nicht was alles erzählen. Letztendlich war sie nett, aber für Tiefenpsychologische Therapie sollte man – wenn ich den Wink mit dem Zaunpfahl richtig verstanden habe – sehr viel offener und gesprächiger sein, als ich es bin.
Danach war ich sehr frustriert, weil mir all die Angst und all das Öffnen und der ganze Stress ein Stück umsonst erschien.
Stationär in die Klinik bin ich nach langem Warten letztendlich zu einem wirklich blöden Zeitpunkt gekommen. Kaum war ich da, konnten keine Untersuchungen mehr aus den anderen medizinischen Bereichen gemacht werden, was die Ärzte ursprünglich geplant hatten. Denn was wurde natürlich wichtiger, so dass zig Abteilungen geschlossen wurden? Ja, Corona… Und seitdem sind hier alle mehr oder weniger eingesperrt…
Mit den Leuten verstehe ich mich soweit gut. Wobei ich wie immer keinen näher als nötig an mich ran lasse. Wie immer. Andere teilen ihre engsten Geheimnisse miteinander und werden beste Freunde. Aber so bin ich nicht. Da greift dann mein „Schutzmodus“…
Mein erster Therapeut war nicht einfach. Von Anfang an hatte er bei unseren Gesprächen immer eine junge Kollegin bei sich, die mich ursprünglich irgendwann übernehmen sollte. Somit hatte ich auch noch zwei Leute gegenüber, denen ich meine Probleme anvertrauen sollte. Ganz toll, wenn man eh seine Probleme damit hat, darüber zu sprechen… Doch dann kam es irgendwie anders. Weil ich mich zu wenig geöffnet habe, vermutlich…
Schnell haben sie bemerkt, dass ich in Gruppentherapien kein Wort spreche. Sie hätten mir vermutlich am liebsten eine Phobie vor Ärzten diagnostiziert. Ja, ich habe Ärzte eher vermieden die letzten Jahre. Aber wegen meinen Narben, wegen Essstörungen, Angststörungen, usw.. Damit niemand etwas davon erfährt…
Und ja, eigentlich war das schon immer so. Mein Problem mit Erwachsenen. Oder mit „höher gestellten (?)“ Menschen. Fehlen die, hab ich kaum ein Problem damit, in kleinen Gruppen zu sprechen…
Jedenfalls wusste ich dann oft nicht was sagen in der Einzeltherapie. Dass ich unter Anspannung leide, war sowieso durch zu hohe Blutdruck- und Pulswerte ersichtlich, bis ich Beta-Blocker bekommen habe.
Mein Schweigen bzw. meine knappen Antworten führten dann dazu, dass er neulich meinte, ob ich gerade ein Thema für die Therapie hätte. Weil sonst könnte ich auch gehen, wenn ich das lieber möchte. Wenn die Therapie nur eine Belastung ist. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Und er meinte, es sei die letzte Stunde bei ihm, weil er in ein paar Tagen geht.
Ich weiß nur, wie es bei mir ankam: „Ich hab kein wirkliches Interesse an dir und hab hier noch genug zu tun, du kannst gehen“.
Was Gedankenschmiedin dann natürlich auf ihre Unfähigkeit sich zu öffnen, zurückgeführt hat und in Selbsthass versunken ist…
Gleichzeitig hat mich das an meine Zeit in der Oberstufe zurückversetzt. Lehrer und Eltern die mein Schweigen und meinen Rückzug als Faulheit statt als Angst gesehen haben…
Doch dann kam vielleicht das Glück im Unglück.
Ich bin schließlich doch einem noch recht jungen Arzt zugeteilt worden. Der wirkt total schüchtern, extrem sensibel und redet recht leise. Davor hatte ich wirklich die Befürchtung, ich könnte bei dem unpassenderweise wegen seiner Art irgendwie loslachen. Aber in meinen bisherigen zwei Therapieterminen war er mir deutlich angenehmer, als der vorherige Arzt. Er ist jünger und vielleicht dadurch mehr auf meiner Augenhöhe als der andere. Er stellt mehr Fragen, wenn von mir nichts kommt, und interpretiert mein Schweigen nicht gleich als Desinteresse. Und er ist einfühlsamer. Ich fange thematisch wieder am Anfang an. Aber diesmal ausführlicher, was glaube ich in meinem Fall besser ist. Die letzte Anamnese beim anderen Arzt war dagegen ein Witz…
In der ersten halben Stunde ging es um meine Schmerzen und die Schmerzentwicklung. Das war noch relativ einfach zu erzählen. Aber dann ging es die letzte Stunde um meine Biografie. Und das war dann schwieriger. Hab die Streitigkeiten meiner Eltern erwähnt. Dass ich mir als Kind gewünscht habe, dass sie sich trennen. Hab von meinem Vater berichtet, der sehr spezielle Glaubensansichten entwickelt hat und damit die ganze Familie drangsaliert hat. Sonst saß er nur im Büro und hat programmiert…
Meine Mutter wurde psychisch krank. Laut ihr aufgrund von meinem Vater, in dessen Augen jedes Verhalten nur noch falsch war. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen.
Schule wurde schwieriger bei mir.
Und alles richtig unangenehme hab ich dann nach ganz hinten verschoben… Er hat mir zwar mehrmals gesagt, dass ich die Kontrolle hätte, was ich erzähle und wie viel. Aber es muss ja irgendwann mal voran gehen… Also: Essstörungen, SVV, Angst & Panik. Kurz angesprochen – was, wann, warum. Keine Ahnung mehr, was er alles dazu gesagt hat. Ab dem Zeitpunkt konnte ich ihm dann wirklich nimmer in die Augen schauen (mehr sieht man wegen dem tollen Mundschutz dank Corona ja zur Zeit eh nicht von denen 😜).
Er wollte mein niedrigstes Gewicht wissen. Das hatte ich mit 21/22…
Ob ich dann in ärztlicher Behandlung war. Nein…
Ob das Schnei*en immer geholfen hätte. Nein…
Was ich dann getan hätte.
Erbrochen…
Und ja, als ihm klar wurde, dass ich das bulimische Verhalten als eine Art Selbstverletzung eingesetzt habe, sind in meinem Hirn gleich wieder die Alarmglocken losgegangen: „Denkt er jetzt an Borderline? Aber eigentlich kann ich das nicht haben… Oder nicht mehr. Aber was, wenn doch?? Dann bin ich bestimmt erst recht schwer zu therapieren…“
Nein, ich konnte damals mit niemandem darüber reden…
Nein, niemand wusste damals Bescheid…
Dann war die Stunde so gut wie zu Ende.
Ob ich mich schon mal so ausführlich mit jemandem über meine Biografie unterhalten hätte. Eher nicht…
Wie es mit Suizidgedanken wäre. Nein, seit Prüfungsende ist das aktuell kein Thema mehr. Wie es früher damit war. Ja, gab es. Wie weit es ging. So, dass der Drang sehr groß war.
Wie es mir jetzt geht. Okay.
Dass nach solchen Gesprächen wieder vieles hochkommen könnte. Ob ich in der Lage wäre, mir dann hier Hilfe zu suchen, wenn das der Fall wäre. Eher nicht. Ob ich ihm versprechen könnte, blablabla. Und er wollte ein deutliches Ja. Ja. Er würde dann vermutlich ab und zu erneut fragen…
Und dass wir das Gespräch nächstes Mal, also morgen, fortsetzen würden…
Meine Anspannung wächst ins Unermessliche.
Hab’s schon vor dem Gespräch am Wochenende kaum ausgehalten und mir den linken Arm leicht aufgekratzt. Hat aber kaum etwas gebracht. Wieder neue Schnit*e auf die alten Narben, nach all den Jahren, da schrecke ich dann doch noch zurück. Möchte meinen Freund nicht enttäuschen oder verletzen.
Bloß dumm, dass ich morgen zum Blutabnehmen muss. Und keine Ahnung bei welchem Arzt. Hoffentlich ist es wenigstens meiner. Und hoffentlich reicht der rechte Arm…
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Ein Tag später…
Blutabnahmezeit hat auf meinem Zettel nicht gestimmt. Also hat der Arzt mich spontan noch früher zum Blutabnehmen an meinem Zimmer abgeholt. Dadurch war ich noch mehr überrumpelt. Wenigstens hat er es gemacht und keiner seiner Kollegen.
Natürlich ging am rechten Arm nichts und er wollte den linken sehen. Hat ihn kurz gedreht und genauer angeschaut. Und Gedankenschmiedin wäre gerne im Erdboden versunken. Letztendlich war der Arm auch nichts zum Blutabnehmen. Also hat sie ihren Ärmel wieder runtergezogen. „Verstecken Sie sich?“ Gedankenschmiedin hätte kot*en können und zuckt mit der Schulter. Sagt nichts und schaut ihn auch nicht mehr an. „Und sonst, wie ist die Lage?“ „Okay…“, murmelt Gedankenschmiedin. Dabei ist es nicht okay. Die Anspannung in ihr steigt und steigt.
Blut will nirgends kommen. Der Arzt ist kurz davor aufzugeben, will es ein anderes Mal versuchen, als es doch noch klappt.
Später beim Bio-Feedback, die übliche Frage, wie es ihr geht. Wie immer faselt sie was von Schmerzen. Doch der Pfleger scheint diesmal auf etwas anderes hinaus zu wollen. „Sie haben ja auch in der letzten Therapiestunde angefangen Ihre Biografie aufzuarbeiten…“ Danke. Der Arzt scheint es schon wieder alles weitergegeben zu haben und es alles auf die biografische Aufarbeitung zu schieben. Dabei war meine Anspannung schon am Wochenende so hoch.
Kein Wunder, dass anschließend der Hautleitwert (Messen von u.a. Stress) um das 3,5-fache erhöht war. Entspannen ging nicht, die Anspannung war zu hoch.
Da freuen sich morgen die Ärzte wieder in der Visite, wenn sie sich wieder Ewigkeiten bei mir besprechen, sich meine Bio-Feedback-Werte anschauen. Das wird vermutlich ne ziemliche Zumutung. Letztes Mal waren es 7 Ärzte und Pfleger bei mir. Da ging es um meine Schmerzen. Schätzungsweise wird es diesmal um etwas anderes gehen… Vielleicht sollte ich einfach den Mund halten, wenn sie mir unangenehme Fragen stellen. Es gibt Dinge, die ich garantiert nicht in dieser großen Runde besprechen werde…
Das nächste kurze Therapiegespräch folgte wenige Stunden danach:
War mega nervös vor dem nächsten Gespräch, so dass das Mittagessen wieder (wegen Spannungsabbau ) draußen gelandet ist.
Er hat mich nicht auf die neuen Wunden am Arm angesprochen (wahrscheinlich ist weniger Fokus darauf auch sinnvoller). Vielleicht hat ihm aber auch gereicht, dass ich gesagt hab, dass ich wieder zu viel Anspannung hab. Die ich seit mein Hausarzt mich hierherschicken wollte, wieder regelmäßig hab.
Hoffentlich werde ich morgen nicht in der Visite vor versammelter Mannschaft bloßgestellt. Hoffentlich können sie sich denken, dass ich dann dicht machen werde…
Jedenfalls haben wir weiter an meiner Biografie gemacht. Weit gekommen sind wir natürlich nicht bei meinen langsamen und knappen Antworten und dem Schweigen ab und an.
Die Krönung für ihn war vermutlich, dass mein Freund auch noch ne Macke hat (Drogen, Alkohol, Gewalt, Depressionen,…).
Hat immer wieder gefragt, ob ich damals mit niemandem gesprochen hätte und ob wirklich niemand etwas bemerkt hätte (den Lehrer habe ich nicht erwähnt, der kam eh später). Hat festgestellt, dass ich mich und wie es mir wirklich geht, wohl gut verstecken kann.
„Ich frage mich, wie Sie das alles geschafft haben…“
Tja… Muss(te) ja irgendwie…
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