Schlagwörter
abgrenzen, Alltag, Ausbildung, Böse, Bibel, Erzieher, Erziehung, Essstörung, Fehler, fundamental, Gedanken, Gefühle, Glaube, Homosexualität, Kinder, Kindheit, konkordant, Kontrolle, Leben, Magersucht, Religion, Strafe, Streit, streng religiös, Tagebuch, Verbote, Züchtigung, Zeugen Jehovas
Meine Schwester (drei Jahre jünger als ich) kann machen, was ihr gefällt. Einfach mal für Monate in’s Ausland gehen, über 700 km entfernt studieren oder in Jobs arbeiten, bei denen sie von der „High Society“ umgeben ist. Anfangs haben meine Eltern die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und versucht, an ihr Gewissen zu appellieren und sie umzustimmen. Aber gegen den eisernen Willen meiner Schwester kommen sie nun mal nicht an. Und mittlerweile hat es sich eher so entwickelt, dass sie unglaublich stolz auf ihr Töchterchen sind und überall damit prahlen, was sie so erlebt.
Meine Schwester schafft es im Leben ihr eigenes Ding zu machen, egal, was meine Eltern davon halten. Ja, ich beneide sie ein bisschen darum.
Ich kann das nicht. Ich bin nicht so selbstständig. Habe Angst vor Neuem. Mir fehlt der Mut dazu. Mir ist nicht egal, was andere Menschen über mich denken. Bei mir stand das gar nicht zur Diskussion, dass ich ausziehe, bevor ich mir selbst eine Wohnung leisten kann. Ich hätte ich mich auch niemals getraut, mir mehrere Jahre lang von meinen Eltern eine Wohnung finanzieren zu lassen. Mein schlechtes Gewissen wäre dabei viel zu groß gewesen. Bei mir gab es 2014 schon ein Theater, dass ich überhaupt ausgezogen bin (20 km entfernt).
Aber ich musste. Ich wollte endlich „freier“ sein. Mich weniger kontrolliert fühlen. Endlich eigene Entscheidungen treffen können ohne mahnende Eltern im Genick sitzen zu haben.
Ob das jetzt durch meine psychische Verfassung bedingt war, oder durch das Verhalten meiner Eltern, weiß ich nicht. Vermutlich hat aber beides eine Rolle gespielt…
Ich weiß nicht so genau, was in der Erziehung meiner Eltern „normal“ war und was nicht. Ich finde das so schwierig zu beurteilen. Und wahrscheinlich sollte ich das auch gar nicht tun. Denn falls ich mal Kinder haben sollte, werde ich auch jede Menge Fehler machen, so wie jeder Mensch.
Aber ich denke zur Zeit so viel über alles nach und möchte trotzdem ein paar Sachen festhalten. Hoffentlich kommt das dann alles nicht zu böse meinen Eltern gegenüber rüber. So schlimm waren sie bestimmt nicht. Bestimmt übertreibe ich. Es sind schließlich nur ein paar Gedankenfetzen, die ich aufschreiben werde. Trotzdem könnte ich irgendwie nicht behaupten, dass ich eine schöne Kindheit oder Jugendzeit hatte…
Die letzten Jahre habe ich immer mehr bemerkt, dass manches einfach zu viel war. Irgendwie „unüblich“. Dass es andere Menschen gibt, die auch an Gott glauben und dass ihnen sehr viel mehr „erlaubt“ ist… Als wir in der Schule die Zeugen Jevohas durchgenommen haben (denen meine Familie und ich nicht angehören), habe ich irgendwie einige Parallelen zu meinem Leben entdeckt…
Ich glaube, dass bei mir die Erziehung und der religiöse Teil mit dem ich groß geworden bin, schon sehr prägend für mich waren…
Der große Teil meiner Verwandten, der in meiner Umgebung lebt und mit dem ich häufiger zu tun habe, ist streng religiös.
Ich habe mich verhältnismäßig erst sehr spät geschminkt. Und das mehr oder weniger heimlich. Schon zu meiner Mutter wurde damals gesagt: „Christen schminken sich nicht“. Genauso wie sie nicht rauchen würden.
Zauberei, Magie usw. waren sowieso tabu. Meiner Cousine wurde z.B. verboten, sich „die kleine Hexe“ mit ihren Mitschülern im Theater anzuschauen. Auch Harry Potter oder ähnliches zu lesen war in meiner Familie verpönt. Ich wäre nicht einmal auf den Gedanken gekommen. Wenn bei „Wetten-dass?“ samstags ein Magier zu Gast war, musste sofort umgeschaltet werden. Die Cousinen meiner Mutter durften nicht mal Fernsehen schauen. Das würde ja alles vom Teufel kommen hieß es…
Besonders mein Vater nahm die Bibel irgendwann sehr wortwörtlich und trat deshalb aus der evangelischen Kirche auch aus. Er befasste sich ausgiebig mit der konkordanten Bibelübersetzung.
Irgendwann stand er u.a. Bräuchen und Festen mit heidnischen Wurzeln sehr kritisch gegenüber. Ich weiß noch, dass er uns beinahe den Weihnachtsbaum und das ganze Weihnachtsfest verboten hätte, weil es Götterverehrung wäre, doch meine Mutter setzte sich durch.
In der 6. Klasse war ich das erste Mal von einer Freundin zu einer Halloween-Party eingeladen. Mein Vater war entsetzt. Druckte mir und der besagten Freundin sofort viele Seiten aus dem Internet aus, um das schlimmste zu verhindern. Tagelang redete er mir in’s Gewissen, dass ich damit Götter verehren würde. Wenn ich das wollen würde, solle ich dort hingehen.
Natürlich ging ich nicht. Das hätte ich mich nicht getraut. Und trotzdem fand ich es seltsam, dass es für die anderen so „normal“ war…
Und wie konnte ich nur Fußball schauen? Man kann doch keine Menschen „verehren“… Doch ich habe es trotzdem getan…
Genauso, wie ich Krimis gelesen habe. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Eines Tages hatte mein Vater Besuch von einem Mann aus seinem Kreise. Er hat mein Buch auf dem Tisch gesehen und als ich ihm bestätigt habe, dass es darin Leichen gibt, war Schluss mit Lustig… Ja das wurde dann natürlich von allen verpönt, schließlich darf man ja nicht töten. Meine Eltern versuchten mich zu überzeugen, weniger Krimis zu lesen. Dieser besagte Gast meines Vaters hat sich übrigens einige Jahre später selbst umgebracht……….
Mein Vater führte aufgrund seiner biblischen Ansichten mit vielen Menschen heftige Diskussionen. Damals habe ich es nicht verstanden, warum plötzlich so viele Menschen ihm und somit auch uns als Familie, den Rücken kehrten…
Ich weiß noch, dass meine Eltern stundenlang auf meine Tante eingeredet haben, als die beschlossen hatte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen.
Als meine Mutter 2004 psychisch erkrankte (Depressionen, Angststörung,…), sprach sich mein Vater deutlich gegen ihre Therapien aus. Genauso einige Menschen aus der Gemeinde meiner Mutter, die ebenfalls der Meinung waren, dass da doch nur Gott helfen könne und kein Therapeut, was ich ehrlich gesagt übertrieben finde.
Meine Mutter fing durch ihre Therapien mit den Jahren an, sich immer mehr gegen meinen Vater durchzusetzen und einige Dinge zu ändern (z.B. eigene Arbeitsstelle, eigenes Auto, neue Aufgabenverteilung,…).
Das passte meinem Vater natürlich überhaupt nicht in den Kram. Schließlich wollte er seine komplette Freizeit lieber in seinem Büro im Keller vor seinem Computer verbringen. Und so gab es mal wieder nur noch Streit am laufenden Band…
Meine Eltern haben all die Jahre ja sehr viel miteinander gestritten, was nach außen hin niemand mitbekommen durfte. Oft konnte ich als Kind deshalb nicht einschlafen, weil es einfach zu laut war. Dann habe ich mich immer weggeträumt, in eine andere Familie. Tag für Tag. Und auch später habe ich mir so oft gewünscht, dass meine Eltern sich scheiden lassen würden. Damit endlich Ruhe einkehrt. Damit sie endlich aufhören. Aber das hätten meine Eltern niemals getan. Schließlich würde das gegen ihre Prinzipien verstoßen. Und was würden da die Leute sagen!? Stattdessen haben sie immer weitergestritten.
Seit sie sich aber nun mehr aus dem Weg gehen und meistens unabhängig voneinander zu Hause sind oder Urlaub haben, sowie jeder seine eigenen Räume und Aufgaben hat, ist es die letzten ca. 3 Jahre viel, viel besser geworden.
Als ich noch kleiner war (ca. 3-4 Jahre), verbot mir meine Mutter manchmal das abendliche Vorlesen, wenn ich keine Zähne putzen wollte. Angeblich bin ich dann immer ohne Worte und ohne meine Zähne zu putzen im eigenen Bett verschwunden…
Keine Ahnung, was ich damals so schlimm am Zähneputzen fand. Vielleicht schmeckte mir die Zahnpasta nicht (ich bin doch eh so sensibel empfindlich)?
Jedenfalls verbrachte ich anscheinend einmal die komplette Adventszeit ohne Plätzchen und anderer Süßigkeiten, weil ich mir keine Zähne putzen wollte. Muss man sich mal vorstellen. Meine armen Zähne. Aber wenigstens war das eine einigermaßen logische Konsequenz… Später gab es dann hauptsächlich Fernsehverbot oder Zimmerarrest.
Insgesamt war meine Mutter als ich noch klein war, schon für mich da. War z.B. viel mit dem Spielplatz mit mir. Da sie eine Zeit lang auch in der Gemeinde aktiv war, leitete sie einen Kinderbibelkreis, bei dem ich dann auch immer dabei war.
Als sie psychisch erkrankt ist, hat sie sich dann von den Leuten ferngehalten, und ich mich somit auch.
So richtig vertrauen konnte ich meiner Mutter aber glaube ich nie (sie mir aber auch nicht, z.B. kam sie eine Zeit lang jede Nacht in mein Zimmer, um zu kontrollieren, ob ich auch meine Zahnspange trug). Sie hat immer alles persönliche weitererzählt, was mich bis heute gewaltig stört. Heute fehlt mir bei ihr so oft das Fein- und Mitgefühl. Aber vielleicht bin ich auch einfach zu empfindlich…
Von meinem Vater habe ich als Kind nicht so viel mitbekommen. Er hat viel gearbeitet, wenn ich wach war.
Als ich noch sehr klein war, war er glaube ich, sehr lieb zu mir.
Später war er oft nur genervt. Ich weiß noch, als ich als ca. 4-Jährige Angst vor einer riesigen schwarzen Spinne hatte. Mein Vater war extrem genervt, da ich ihn schließlich beim Fernsehen störte…
Später habe ich mich oftmals nicht altersgerecht behandelt gefühlt. Bis heute redet er häufig mit mir, als wäre ich ein kleines Kind. Vielleicht hätte er das gerne. Aber das bin ich nun mal nicht mehr.
Als ich keine Küsse mehr von ihm wollte, wurde das sehr lange nicht akzeptiert.
Umarmen lasse ich mich von beiden Elternteilen schon sehr lange nicht mehr. Es fühlt sich für mich irgendwie komplett falsch an…
Als ich keine Streicheleien mehr wollte, lachte mein Vater auch dabei nur. Letzteres ist heute noch manchmal der Fall. Auch wenn es nur ein bisschen über den Rücken oder über den Kopf- Streicheln ist, ich möchte das nun mal nicht von meinen Eltern. Auch bei meiner Mutter kann mein Vater ein „Nein“ nicht akzeptieren und sie regt sich jedes Mal darüber auf, wenn er es trotzdem bei ihr macht.
Meine Schwester lässt es zu. Deshalb ist sie glaube ich auch sein Ein und Alles. Schließlich ist ja eigentlich die einzige Person, von der er zumindest ab und zu ein bisschen körperliche Nähe bekommt, wenn ich es mir genauer überlege. Traurig aber wahr…
Ich habe oft das Gefühl, dass es meinem Vater total an Einfühlungsvermögen fehlt. Psychisch und emotional gesehen konnte er für mich glaube ich als Kind und bis heute, nie da sein. Er hat mir keine Ängste genommen oder mit mir über Probleme geredet (mit Ausnahme von Standpauken wegen schlechten Noten, oder weil ich beruflich nichts auf die Reihe bekomme). Seine „Gespräche“ haben entweder keinen Inhalt oder drehen sich rund um seine elektronischen Geräte, mit denen er andere zuquasselt, ohne deren Desinteresse zu bemerken.
Als ich vor einiger Zeit in der Klinik war, hatte ich das erste mal per Smartphone eine Gruppe mit meinen Eltern gemacht um ihnen zu schreiben. Ich wollte nicht immer alles jedem einzeln schreiben.
Meine Mutter hat mehrmals am Ende einer Nachricht geschrieben, dass sie mich lieb hat. Und plötzlich hat mein Vater das auch getan. Zum ersten Mal in meinem Leben. Ich hätte fast geheult. Und da wurde mir irgendwie bewusst, dass da irgendwas nie so richtig gestimmt hat… Und dass ich ja vielleicht doch so ne Art Vaterkomplex habe und deshalb immer an irgendwelchen Typen festhalte, in der Hoffnung, dass sie mir irgendwie helfen. Und bei denen ich mir immer so sehnlichst wünsche, in den Arm genommen zu werden…Ich sage nur der Lehrer…
Sicherlich kommen da immer mehrere Dinge zusammen. Aber manchmal überlege ich, ob es einen Zusammenhang gibt, zwischen meiner Angst z.B. Fehler zu machen und der (religiösen) Erziehung meiner Eltern, bzw. vor allem die meines Vaters. Wenn so vieles angeblich schlecht ist, was man tut… Ist es da so unwahrscheinlich, dass man als Erwachsener später wegen jeder Kleinigkeit ein schlechtes Gewissen hat?
Vielleicht wollte ich einmal in meinem Leben etwas über mich bestimmen. Die Kontrolle haben. Und mich nicht von anderen kontrollieren und bestimmen lassen, was ich zu tun habe und was nicht.
Erst mit meiner pädagogischen Ausbildung wurde mir bewusst, dass mein Vater auch etwas feindlich gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gestimmt ist. Und es regt mich jedes Mal so auf… Wenn ich wieder höre „Ausländer“ hier und da und wofür „sie“ wieder verantwortlich sein sollen.
Hallo?? Wir sind alles Menschen hier mit unterschiedlichster Nation, Herkunft und Kultur. Und wir sollten uns auch alle gegenseitig respektieren!!!
Genauso das Thema Homosexualität, geht für meine Eltern und Verwandten absolut gar nicht. Ich sage euch: es ist so verdammt schwierig, das für „normal“ anzusehen, wenn man schon sein ganzes Leben lang eingetrichtert bekommen hat, wie „schlecht“ und „böse“ das doch ist!!! Ich weiß noch, als mir vor 3 Jahren meine beste Freundin erzählt hat, sie hätte sich in eine Frau verliebt. Mein Freund hat mich ausgelacht, als ich es als „schlimm“ angesehen habe.
Ich muss sagen, dass mir das erst in meiner Ausbildung klar geworden ist. Und mittlerweile kann ich es besser akzeptieren. Denn ich verurteile keine Menschen, für das wie sie sind. Niemand ist „besser“ oder „schlechter“ auf dieser Welt!!!
Es ist ganz schön schwierig, sein eigenes Leben zu führen, seine eigenen Einstellungen zu finden und sich von der Familie in gewissen Punkten abzugrenzen. In manchen Dingen gelingt es mir mittlerweile. Aber in einigen auch nicht.
So hatte ich durch meine Erziehung immer das Gefühl, dass es etwas „Böses“ ist, einen Freund zu haben. Vor der Hochzeit zusammenzuziehen, würde für meine Verwandten nicht in Frage kommen. Ich würde es vielleicht gerne mal. Aber ich könnte es nicht, denn der Mut mich da abzugrenzen, fehlt. Ich bekomme es ja noch nicht einmal hin, meinen Freund meiner Familie vorzustellen. U.a. weil ich das Gefühl habe, dass ich keinen Freund haben darf…
Ich habe immer noch meinen Glauben, auch wenn ich ihn nicht intensiv lebe und er durch meine Probleme immer sehr stark in den Hintergrund rückt. Er hat sich verändert, denn ich kann viele Dinge in der Bibel einfach nicht mehr (im Gegensatz zu meiner Familie) für wortwörtlich nehmen.
Aber Religion und der Glaube sollte einem nicht die allerletzte Kraft rauben und einen nur noch das schlechte auf der Welt sehen lassen. Sondern viel mehr Halt und Vertrauen geben…
Und zum Beispiel auch die Hoffnung darauf, dass irgendwann alles gut wird…
everythingischanged sagte:
Hey 🙂
Ich finde es toll, wie ehrlich du bist indem du schreibst, das du mit manchen Sachen einfach Probleme hast, weil du so erzogen wurdest.
Es ist schwierig, wenn man sich eine eigene Meinung bilden möchte, aber nicht darf. Aber ich habe aus deinem Text rausgehört, dass du dabei bist deine Ansichten in Frage zu stellen und das ist gut so. Denn damit beweist du, dass du ein Stück selbstständiger wirst. Keiner Erwartet von dir das es von heute auf morgen geht, aber ich finde es toll, das du kleine Schritte machst ohne es vielleicht zu merken. Auch wenn es weit weg zu sein scheint, irgendwann kommt der Tag, wo du deiner Familie deinen Freund vostellen kannst. Dann denkst du an heute zurück und wirst stolz sein. Ich glaube an dich. 🙂
gedankenschmiedin sagte:
Danke dir! 🙂
darksidelion sagte:
hey 🙂
du bist selbstständig und hast Mut. Vielleicht nicht in den gleichen Dingen wie deine Schwester, aber allein dass du Krimis liest etc, Dinge, die deine Familie verpönt, zeigt, dass du mutig bist, selbstständig. Denn wieso solltest du etwas mögen, wo du doch dazu erzogen worden bist, es eben nicht zu mögen? Aber du magst es, ebenso wie du dich anscheinend von der religiösen Erziehung differenzieren wolltest/konntest und so vieles anderes. Die kleinen Sachen sind ebenso wichtig wie die großen. Wie everythingschandeg schon schrieb, kleine Schritte ohne es zu merken. Ich hoffe du verstehst was ich versuche zu sagen 🙂 Und ich finde es ist auch mutig, über dich und deine Gedanken hier zu schreiben. Ich zb kann das nicht so wirklich.
ich glaube auch an dich 🙂
gedankenschmiedin sagte:
Vielen Dank! 🙂
Nanni sagte:
Liebe Gedankenschmiedin,
danke für deine Gedanken zum Thema Religiosität. Mich hat sehr betroffen gemacht, dass du so streng religiös erzogen wurdest und anscheinend auch darunter gelitten hast. Mir ist selber der Glaube in meinem Leben sehr wichtig und ich finde auch und sehe es auch so wie du, dass er doch keinem Kraft rauben sollte, sondern vielmehr Hoffnung und Halt. Ich denke auch, dass eine solche Religiosität, wie du sie teilweise in deiner Familie und Verwandtschaft erlebt hast, dem entgegengesetzt ist, was Jesus/Gott eigentlich gemeint hat. Ich glaube, dass es nicht darum geht, strenge Regeln einzuhalten, sondern darum, dass Gott mit uns persönlich leben will, in Beziehung. Und dass er uns mit einer bedingungslosen Liebe liebt und uns diese Liebe verändert. Wir sind für Gott wertvoll, geliebt und so wir sind nimmt er uns an. Und er will uns Leben geben, wirkliches Leben, dass unsere Sehnsucht stillt, uns innerlich satt macht. Gott verändert uns, macht uns ihm ähnlicher, so dass wir dann auch andere Menschen annehmen und lieben können und niemand aufgrund irgendwelcher Kriterien verachten. Sorry, ich wollte dir jetzt hier keine Predigt halten 😉 aber mich hat es irgendwie voll traurig gemacht, dass du den Glauben z.T. auf so eine negative Art erlebt hast. Ich wurde gar nicht sehr religiös erzogen, aber ich hab irgendwie gesehen, wie der Glaube bei meiner Mama konkrete Auswirkungen hatte und das hat mich fasziniert. Ich wollte das auch, was sie da hat. Und bin so glücklich, dass ich diesen Gott „kennengelernt“ habe, weil er meinem Leben eine ganz andere Richtung gibt. Einfach so eine Freiheit und diese Gewissheit so wie ich bin geliebt zu sein und keine Angst haben zu müssen, und v.a. einfach als ein Geschenk, zu dem ich nichts beitragen kann. Ich hab noch ein paar andere Texte von dir gelesen und bin begeistert, was du für ein tiefgründiger Mensch bist mit vielen Begabungen. (allein, was du so schreibst) Hm…ich weiß nicht, aber ich habe mich in manchen Punkten wiedererkannt. Mir sagte man früher auch, dass ich zu ruhig bin, zu schüchtern, ich bin ab und zu immer noch ziemlich perfektionistisch, hab viele Gedanken in mir und schreib gern Gedichte, bin ab und zu auch verträumt und mir passieren irgendwelche Missgeschicke usw. und leider hatte ich – und hab es leider auch noch immer mal wieder mehr, mal weniger – mit einer Essstörung zu kämpfen. Ich hab früher das Gefühl bekommen, irgendwie „nicht richtig zu sein“, anders sein zu müssen, und zu sensibel zu sein, weil ich z.b. zu schnell geweint habe. Na ja, jedenfalls hab ich vor einigen Jahren was über Hochsensibilität gelesen und hab mich da in vielem wiedergefunden. K.a., ob du das kennst, aber falls nicht, ist es vielleicht interessant für dich, mal darüber was zu lesen. Also, ich habe da gelernt, dass manche Menschen einfach eine höhere Sensibilität als andere haben, was mit bestimmten Dingen verknüpft ist, wie mehr Reize wahrzunehmen, Dinge in der Tiefe zu verarbeiten, Stimmungen anderer gut wahrnehmen können, davon aber gleichzeitig auch mehr belastet werden können usw. (also ist bei jedem auch wieder ganz individuell)
Ich versuche immer mehr, mich und meine Persönlichkeit anzunehmen und auch zu schätzen und das Schöne an mir zu entdecken, aber auch auf meine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
Sorry, dass ich so viel geschrieben habe, hoffe, ich hab dich nicht genervt, aber irgendwie hatte ich gerade so viele Gedanken in mir, die mir beim Lesen deines Blogs gekommen sind, die ich dir gern, zumindest zum Teil, schreiben wollte. Viele Grüße Nanni
Gedankenschmiedin sagte:
Hallo liebe Nanni,
ja, ich denke auf der einen Seite habe ich den Glauben als negativ erlebt. Später ging das dann in einem Jugendkreis auch nochmals weiter. Man war nur willkommen, wenn man ihn und die Gottesdienste der Gemeinde regelmäßig besuchte. Sonst wurde man beinahe schon ausgeschlossen. Leute die aus der Gemeinde traten, wurden von allen Seiten zu überreden versucht, wieder umzukehren.
Im Nachhinein frage ich mich, was mich dort hielt…
Aber ich denke schon, dass es auch positive Erlebnisse für mich gab, als ich noch Kind war (die kommen in dem obigen Text eher weniger vor). Viele biblische Geschichten und Lieder usw. die bestimmt Vertrauen vermittelt haben. Ich wusste, dass Gott mich lieb hat und dass er für mich da ist…
Schön, dass du ihn auch kennenlernen darfst! 🙂
Ich und tiefgründig? 😀
Das mit der Hochsensibilität habe ich auch schon mehrfach gelesen. Ich denke schon, dass ich davon auch betroffen bin. (Auch wenn ich z.B. absolut kein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis habe).
Aber ich hab mir schon so oft den Kopf zerbrochen was ich alles haben könnte und was nicht. Für mich bringt es jedoch momentan nichts, wenn ich mir darüber so viele Gedanken mache… 😉
Danke für deine Worte. Ich bin immer daran interessiert, was andere über mich denken. 😉
Ganz liebe Grüße
Gedankenschmiedin
eisscherben sagte:
Ich habe jetzt gerade diesen Beitrag gefunden und musste die Überschrift einfach anklicken… Und einen Moment lang war ich erschrocken, weil du meine Schwester sein könntest. 😉 Obwohl ich weiß, dass du das nicht sein kannst; und natürlich gibt es auch Unterschiede… Aber das zugrunde liegende Muster ist irgendwie gleich.
Bei uns zu Hause lief vieles ähnlich – und ich denke absolut, dass solche Situationen zur Entstehung von psychischen Problemen maßgeblich beitragen. (Meine ganze Familie ist „krank“, auch wenn keiner das zugeben will. Weil psychische Probleme eben auch so ein Tabu sind / etwas ganz Erbärmliches sind, das nur minderbemittelten Leuten zustößt. Ääähm…)
Deborrah sagte:
Es ist immer wieder bedrückend zu hören, dass Menschen mit Gott bedrückt werden. Es ist aber nicht Gott der bedrückt, es sind die Menschen. Und manchmal erdrücken sie einen. Du solltest beten und dich von ihm helfen lassen. Auf Menschen ist kein Verlass.
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Zylon sagte:
Ein interessanter Aspekt der meisten monotoistischen Religionen ist das Bekenntnis der Schuld in dem Sinne dass man das was einen wiederfährt angeblich verdient hat. Man belastet sich selbst mit der Vorstellung dass das schwere Los welches man gezogen hat das Resultat eigener Verfehlungen ist für die man vom lieben Gott bestraft wird. Besonders die Christen gehen ja heute noch davon aus das sie bereits von Geburt an Sünder seien die von Gott zur Strafe in eine brutale Welt gesetzt worden seien.
Eine völlige Vernarrung jeglicher Lebensauffassung!
Anstatt das Leben als Strafe zu betrachten sollte man es lieber als Prüfung verstehen Eine Prüfung die nur die stärksten Geschöpfe überstehen. Ob man diese Prüfung als eine von Gott eingesetzte Gütesiebung seiner Geschöpfe oder als das knallharte Ausleseverfahren der Natur ansehen will ist Geschmacksache. Sofern eine bestimmte Religion einen nicht das nötige psychologische Rüstzeug mit auf den weg gibt um diese Prüfung des Lebens zu überstehen, ist sie im eigenen Interesse völlig abzulehnen. aber eventuell wurden ja gewisse Religionen mit voller Absicht so schadhaft konzipiert um sie als psychologische Waffe verwenden zu können. Dass die monotoistischen Religionen, welche diesen schadhaften Geist der Selbstverleugnung beinhalten, nach Europa nur mit Gewalt eingeschleppt werden konnten und auch nur mit Gewalt fotwährend etabliert werden konnten, zeigt wie wesensfremd dieses Gedankengut den Völkern nördlich der Alpen ist.